Die Universität für Bodenkultur Wien griff in ihrer Featuring Future Conference alle heißen Eisen der Energiewende auf.

Eröffneten die Zukunftskonferenz 2023: (v. l.) Michael Pinter (ÖH BOKU-Vorsitzender), Peter Weinelt (Generaldirektor-Stellvertreter, Wiener Stadtwerke), Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, BOKU-Rektorin Eva Schulev-Steindl und Uniratsvorsitzender Josef Plank @ BOKU-Medienstelle/Christoph Gruber

Am 31. Mai lud die Universität für Bodenkultur Wien, Österreichs führende Life-Sciences-Universität, zu einer hochkarätig besetzten Zukunftskonferenz unter dem Motto: Energie und Mobilität: Die Wende. Gemeinsam mit namhaften Keynote-Speakern und im Austausch mit Gästen aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft sowie Studierenden wurden im großen Hörsaal des TÜWI und zugeschaltet via Livestream brennende Themen unserer Zeit zu erneuerbaren Technologien der Energiegewinnung, alternativen Mobilitätskonzepten, Ressourcenschonung durch Kreislaufwirtschaft oder nachhaltigem Konsumverhalten diskutiert.

Dabei präsentierte sich die BOKU vor rund 500 Konferenzbesucher*innen vor Ort und auch im Livestream als die moderne Energiewendeuniversität, die sie ist. Bei ihrer Begrüßung betonte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler: „Wir haben vor drei Jahren in Österreich eine Aufholjagd im Klimaschutz gestartet. Seither wurde eine Vielzahl von Klimaschutzgesetzen auf den Weg gebracht, die zur Energie- und Mobilitätswende beitragen - und wir sehen, dass die Treibhausgasemissionen zurückgehen. Aber wir sind noch längst nicht fertig, denn Klimaschutz ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Das heißt, wir brauchen die Dynamik, die wir jetzt gestartet haben, jedes Jahr – damit Österreich 2040 ein klimaneutrales Land sein wird, in dem die Menschen gut leben können.“

Rektorin Eva Schulev-Steindl schilderte in ihrer Eröffnungsrede sichtlich stolz: „Die Universität für Bodenkultur Wien leistet einzigartige Forschung in den Life Sciences und bildet die nächsten Generationen aus, um Lösungen für die großen Herausforderungen in die Welt zu bringen.“ „Die Klimawende gelingt uns nur“, so der stellvertretende Generaldirektor der Wiener Stadtwerke Peter Weinelt, „wenn wir diese innovativen Lösungen gemeinsam auch umsetzen. Wir suchen Vordenker*innen, die geschicktesten Hände und die besten Köpfe, um Wien in die Klimaneutralität zu führen.“ 

Universitätsratsvorsitzender Josef Plank sieht den Energiebereich und die Mobilität als Schlüsselsektoren: „Ressourceneffizienz und neue Technologien sind ein Gebot der Stunde, bei denen die Umsetzungsgeschwindigkeit massiv erhöht werden muss. Immerhin brauchen wir einen entscheidenden Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft. Auf jeden Fall Anwendungen und Lösungen, die Zuversicht geben und funktionieren, und damit auch politisch umsetzbar sind. Strategische Partnerschaften mit der Wirtschaft sind dabei zentral für die Universität und die Unternehmen, weil die Akzeptanz der Wissenschaft sehr häufig mit der Glaubwürdigkeit der Umsetzung notwendiger Maßnahmen eng gekoppelt ist.“

Spannende, hochbrisante Themen und renommierte Keynote-Speaker

Worauf kommt es bei erneuerbaren Technologien an? Wie gestalten wir alternative Mobilitätskonzepte für morgen? Wie können wir die vorhandenen Ressourcen möglichst effizient nutzen? Was braucht es, damit Konsument*innen ihr Verhalten für das Klima ändern? Welche Rolle spielt die Zivilgesellschaft für die Klimawende? Antworten auf diese und weitere brennende Fragen suchten hochkarätige Experten*innen wie der deutsche Forscher für Regenerative Energiesysteme Volker Quaschning, der dänischer Stadtplaner Jan Gehl, die Vordenkerin für Umweltpolitik Sina Leipold, der Soziologe und Sozialpsychologe Harald Welzer und der BOKU-Professor für Klimapolitik Reinhard Steurer. Durch das Programm der fünf Themenblöcke führte die ORF-Journalistin und Moderatorin Barbara Stöckl.

Erneuerbare Energien steigern

Gleich mitten ins Epizentrum des Themas führte die Auftaktkeynote des für erfolgreiche Wissenschaftskommunikation mehrfach ausgezeichneten Professors für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule Technik und Wirtschaft, Berlin, Volker Quaschning: „Immer neue Hitzerekorde, Dürresommer und Naturkatastrophen führen uns immer drastischer vor Augen, dass ein ungebremster Klimawandel dramatische Auswirkungen für die Menschheit haben wird.“ Dem häufig vorgebrachten Argument, dass der dringend erforderliche Ausbau erneuerbarer Energien viel Geld koste, hält er entgegen, „dass das alles nur eine Frage der Prioritätensetzung ist, denn das Geld ist ja da.“ Tobias Pröll vom Institut für Verfahrens- und Energietechnik (BOKU) sprach sich in der Diskussion schon aufgrund seiner Expertise für effizientere Technologien wie beispielsweise das E-Auto aus, jedoch „wer das E-Auto gegen ein E-Bike tauscht, fährt nicht mit zwei Tonnen, sondern mit 50 Kilo – und das ist eine Lösung.“

Lebenswerte Städte für Menschen bauen

Die zweite Keynote zum Topic „Verkehrswende“ widmete sich der Verbesserung der städtebaulichen Infrastruktur und der Optimierung der Lebensqualität der Menschen. „Die Autoindustrie, die Drohnenindustrie und die Smart City-Industrie haben große Erwartungen an neue, teure Technologien, die unsere Städte in Zukunft retten sollen“, so Stadtplaner Jan Gehl. „Im Gegensatz zu Dubai und den High-Tech-Städten sind viele Städte bereits auf dem besten Weg, sanfte, menschenfreundliche und grüne Lösungen zu entwickeln, die sich auf das Gehen, Radfahren und die Nutzung guter, öffentlicher Verkehrsmittel konzentrieren“, so der Architekt, der Stadtentwicklungsprojekte auf der ganzen Welt betreut. „Bessere Städte für das Zufußgehen und Radfahren zu schaffen, ist billig, gut für alle, gut für die Gesundheit, grün und gut für das Klima. Und vor allem ist es ein Modell, das unabhängig von der Wirtschaftslage sofort in allen Städten der Welt angewendet werden kann.“ Astrid Gühnemann vom Institut für Verkehrswesen (BOKU) regte an, auch über Konzepte des Vermeidens und Verlagerns von Mobilität - ohne Einschränkung der Lebensqualität -nachzudenken. „Vielleicht gibt es Möglichkeiten, die Tätigkeit, wozu man einen Weg zurücklegt, auch zu Hause oder in der näheren Umgebung zu erledigen, um die Anzahl der Fahrten zu verringern oder mit Sharing-Konzepten die Anzahl der Autos zu reduzieren.“

Ressourcen möglichst effizient nutzen

Fragen rund um Materialnutzung, Synergien und Werte prägten den dritten Themenschwerpunkt über Kreislaufwirtschaft. „Bei unserem Streben nach effektiven Lösungen für den Klimawandel ist es entscheidend, dass Forschung nicht nur technisch machbar, sondern auch sozial und ökologisch verträglich ist“, so Sina Leipold, Leiterin des Departments Umweltpolitik an der Universität Jena. In ihrer Keynote stellte sie die Praxis des „narrativen Dialogs“ vor, der komplexe Informationen zu einfachen Geschichten verdichtet. „Die Narrative helfen, zugrunde liegende Werte aufzudecken, Synergien und Konflikte anzusprechen und ein Umfeld für neue Ideen zu schaffen.“
In seinem Einstiegstalk unterstrich auch Willi Haas vom Institut für Soziale Ökologie der BOKU die Bedeutung von Erzählung, wenn es um das gesellschaftliche Umdenken im Zusammenhang mit der Klimakrise geht: „Wir müssen die Vorteile eines geänderten Lebensstils so unwiderstehlich machen, dass wir es alle gerne machen.“ Alexander Kirchner, Bereichsleiter Wien Energie, Asset Betrieb und Service, betonte, dass wir eine Kreislaufkultur und eine Kreislaufgesellschaft bräuchten. Der Slogan müsse nicht lauten „Geiz ist geil“, sondern vielmehr „reduce, rethink and redesign ist geil.“

Konsum neu denken

Wohlstand ist nicht identisch mit Konsummöglichkeiten. Mit dieser provokanten Ansage begann der Soziologe und Sozialpsychologe Harald Welzer seine Keynote. „In der Erfindung der sozialen Marktwirtschaft lag nicht die Idee zugrunde, dass der Sinn des Lebens darin liegt, von allem immer mehr zu haben.“ Inzwischen dienen die Menschen den Produkten und nehmen pausenlos Befehle von ihren Autos, ihren Kaffeemaschinen oder Chat Bots entgegen. „Wenn wir weiterhin so leben wie jetzt, dann gehen zwei Drittel der in allen Windparks und PV-Anlagen gewonnenen Energie nur für Verschwendung und zerstörerischen Quatsch drauf“, so Welzer, der bereits zahlreiche Bücher zu gesellschaftspolitischen Fragen und zur Nachhaltigkeit geschrieben hat.

Während des gesamten Vormittags konnte das Publikum via Handy an einer Umfrage des Instituts für Marketing und Innovation der BOKU zum Thema „Darfs ein bisserl weniger sein?“ teilnehmen. Die Teilnehmer*innen konnten voten, wo sie als Konsument*innen ihren möglichen Beitrag zur Wende sehen. Charlotte Baar präsentierte das mit Spannung erwartete Ergebnis: Zu den Top 3 Handelsoptionen mit der häufigsten Umsetzungsbereitschaft zählten (bei einem Sample von 113) die Verringerung der Lebensmittelverschwendung (109), das Nutzen erneuerbarer Energie (96) und das Kaufen von weniger Produkten aus Plastik (95). Die Last 5 Handlungsoptionen mit der geringsten Umsetzungsbereitschaft waren die vegane Ernährung (64), der komplette Verzicht auf Autofahren (62) und das Schaffen eines kleineren Wohnraums (37).

Sich der Klima-Realität stellen

Den Abschluss der Konferenz bildeten aktuelle Fragen rund um das Thema Klima-Aktivismus. BOKU-Professor für Klimapolitik Reinhard Steurer hielt in seiner Keynote fest: „Seit 2019 werden wissenschaftliche Warnungen deutlich wirksamer von Klimaaktivist*innen transportiert. Klima-Aktivismus ist also längst nicht nur Verstärker der Wissenschaft, sondern vor allem auch Katalysator für Veränderungen, die von Wissenschafter*innen aktiv unterstützt werden sollten.“ Die Narrative eines Scheinklimaschutzes würden gerne gehört und verbreitet, darin seien Österreich, aber auch die internationale Klimapolitik Meister. Die Realität hingegen sei: „Ein fossiler Lebensstil ist nicht mehr rechtens“, so Steurer abschließend. Michaela Krömer, Rechtsanwältin für Grund- und Menschenrechte und Unirätin der BOKU stellte die Frage in den Raum, „warum die Empörung bei Staus durch Klebeaktionen im Gegensatz zu anderen Stauauslösern eigentlich so groß ist?“ Klimaklagen sieht die Juristin als einen Puzzlestein, Aktivismus bleibe jedoch unumgänglich.

Die Zukunftskonferenz der BOKU kann ab sofort auf boku.ac.at/featuring-future-conference nachgesehen werden.

An der Universität für Bodenkultur Wien gibt es eine Vielzahl von Instituten, die mittlerweile alle Aspekte der Energiewende abdecken und die Energieforschung vorantreiben. Der BOKU-Energiecluster ist eine BOKU-weite Plattform, die zur internen Vernetzung beiträgt und als zentrale Anlaufstelle Anfragen an die jeweiligen BOKU-Arbeitsgruppen weiterleitet. Kontakt: energiecluster@boku.ac.at.