Mit wem Fliegen nicht gern Kirschen essen


Am IFFF erforscht man mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF Obstbaumschädlinge und ihre parasitären Mitbewohner. Hans Schuler und Christian Stauffer untersuchen die Lebensgemeinschaften von Kirschfruchtfliegen und Bakterien - zum Schutz der Obsternten.

Die süßesten Früchte fressen nicht nur große Tiere. Auch kleine Kirschfruchtfliegen schätzen reifes Steinobst und machen durch massenhafte Eiablage die Ernte unbrauchbar. In vielen europäischen Ländern gelten die Europäische Kirschfruchtfliege und die vor 30 Jahren eingeschleppte Amerikanische Kirschfruchtfliege als unliebsame Schädlinge im Obstbau. Als Wirte geschätzt werden die Fruchtfliegen wiederum von Bakterien der Gattung Wolbachia. Unterschiedliche Wolbachia-Stämme leben in beiden Arten und machen sich die Fortpflanzung der Fliegen für die eigene Verbreitung zunutze. Genau das macht sie für den Schutz von Obsternten interessant. Hannes Schuler und Christian Stauffer wollen nun mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF die Lebensgemeinschaften von Fliegen und Bakterien genauer beleuchten und damit folgende Fragen beantworten: Wie die bakteriellen Mitbewohner die Fitness der Fliegen beeinflussen, wie unterschiedliche Wolbachia-Stämme in einem Fliegenorganismus aufeinander wirken, wie die Bakterien-Stämme weitergegeben werden und wie schnell sie sich in den Populationen ausbreiten.

Verwurmte Kirschen für die Forschung
Im Sommer 2018 ist man auf Dutzende Kirschbäume gestiegen – in Deutschland (auch entlang der Grenze zu Polen) und Ungarn – und hat verwurmte Kirschen für weitere Auswertungen gesichert. „Da beide Arten der Kirschfruchtfliegen sich nur einmal im Jahr fortpflanzen und nicht sehr weit fliegen, beherbergt ein Baum eine Population“, so Projektleiter Hannes Schuler.

Ein Teil der Larven jedes Kirschbaums wird für genetische Auswertungen verwendet. Hier will der Schuler zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: „Wir können mit den Analysen des Erbguts nicht nur die Fliegen, sondern auch deren Parasiten genau bestimmen. Wir vergleichen genetisches Material von Amerikanischen Kirschfruchtfliegen aus den USA, der US-Art in Europa und der Europäischen Kirschfruchtfliege mit ihren jeweiligen Mitbewohnern. In den genetischen Analysen können wir erkennen, welche Wolbachia-Stämme gemeinsam vorkommen und auch, ob sie einander genetisch beeinflussen.“ Die Puppen aus der Ernte 2018 liegen noch in simulierter Winterruhe im Kühlschrank - bis sie aufgeweckt werden, um mit den geschlüpften Fliegen Kreuzungsversuche und Fitnesstests durchzuführen: „Wir wissen, dass die Wolbachia-Stämme nur von infizierten Fliegenweibchen an deren Nachkommen weitergegeben werden. Trifft ein infiziertes Fliegenmännchen auf ein nicht-infiziertes Weibchen, sorgt das Bakterium Wolbachia dafür, dass die gemeinsamen Nachkommen nicht überleben. Durch diesen Trick steigt der Anteil von Wolbachia infizierten Fliegen in der Population überproportional an“.

Mit den erhobenen Verhältniszahlen und jährlicher Probenahme kann die Ausbreitungsgeschwindigkeit der beiden Fliegenarten und ihrer Wolbachia-Ausstattung simuliert werden. Um die Weitergabe zwischen Arten aus Europa und den USA zu klären, nehmen die Forscher Schlupfwespen ins Visier, die ihre Eier in den Larven der Fliegen ablegen und mit ihrem Legestachel vielleicht Bakterien verschleppen. Außerdem wird geprüft, ob es doch zur Kreuzung von Europäischen und Amerikanischen Kirschfruchtfliegen kommt, oder die irrtümliche Kopulation zwischen den getrennten Arten als Ansteckungsweg in Frage kommt. Sind die Gegenspieler und Parasiten der in Europa vorkommenden Kirschfruchtfliegen erst einmal gut untersucht, könnten diese wiederum für den Pflanzenschutz im Obstbau genutzt werden.


21.01.2019