acib-ForscherInnen haben das Genom des Chinesischen Hamsters entschlüsselt und eröffnen damit neue Möglichkeiten in der Entwicklung wirksamer Heilmethoden.

acib-ForscherInnen entschlüsseln das Genom des Chinesischen Hamsters. Weil die Eierstockzellen dieses Tieres die gefragtesten Vehikel zur Herstellung wichtigster Therapeutika sind, eröffnet das ganz neue Möglichkeiten in der Entwicklung neuer, wirksamer Heilmethoden. Die Eierstockzellen der weiblichen Hamster (CHO-Zellen) sind aus der modernen Medizin nicht mehr wegzudenken, denn sie sind die gefragtesten Produktionsvehikel in der Pharmaindustrie. Eine ForscherInnengruppe um Prof. Nicole Borth (Universität für Bodenkultur) hat nun das Genom des chinesischen Hamsters entschlüsselt – als Ergebnis der Forschungspartnerschaft zwischen dem Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib), der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) und der Universität Bielefeld (CeBiTec). „Wir können jetzt besser verstehen, wie die Zellen funktionieren und sie besser an die gewünschten Anforderungen anpassen“, erklärt die Wissenschafterin und denkt an neue Biopharmazeutika und Behandlungsmethoden. Weil das Hamstergenom in seiner Größe mit dem menschlichen vergleichbar ist, galt es, enorme Datenmengen zu bewältigen. „Wir haben 1,4 Milliarden kurzer DNA-Abschnitte erzeugt“, erklärt Karina Brinkrolf; sie war am CeBiTec für die Sequenzierung zuständig. Die Herausforderung war, diese Teil wie ein Puzzle zum gesamten Erbgut, das auf 11 Chromosomenpaaren verteilt ist, zusammenzusetzen. Ob Antikörper, Blutgerinnungsfaktoren, Rheumatherapie oder Krebsmedikamente – die Pharmaindustrie bringt immer mehr therapeutische Proteine auf den Markt. Wirkstoffe in der Humanmedizin sind aber nicht nach einem einfachen Muster gestrickt. Da gibt es chemisch sehr simple Sorten, die aus einem einfachen Molekül mit wenigen Atomen bestehen. Therapeutische Proteine sind allerdings aus hunderten Aminosäuren aufgebaute, komplizierte Eiweißstoffe. Im Gegensatz zu den einfachen Produkten müssen diese Eiweißstoffe perfekt an den menschlichen Organismus angepasst sein, damit es zu keinen Neben- oder Abwehrreaktionen kommt. „Das häufigste Produktionsvehikel für diese Substanzen sind seit 1987 künstlich kultivierte Eierstockzellen des weiblichen Hamsters“, weiß Nicole Borth. Das erste Produkt war ein Wirkstoff, der Herzinfarktpatienten verabreicht wurde, um das Auflösen von Blutgerinnseln zu stimulieren. 70 % der pharmazeutischen Wirkstoffe werden mittlerweile mit CHO-Zellen hergestellt. Hamster müssen dafür keine mehr sterben, Industrie und Forschende vermehren nur noch die Zellen, die einmal im Jahr 1957 isoliert wurden. Die in-vitro-Kultivierung führt aber auch zu Schwierigkeiten: „Diese Zellen sind im Laufe der Zeit natürlichen Veränderungen unterworfen“, weiß Forscherin Borth, „die Aktivität der Gene ist in allen Labors, die Hamsterzellen entwickeln und vermehren, unterschiedlich. Das Originalerbgut ist einer ständigen Veränderung unterworfen“. Das ist ein Vorteil – die Anpassungsfähigkeit der Zellen betrachtend. Und ein Nachteil, weil es passieren kann, dass für den speziellen Zweck wichtige Elemente verändert werden. Das nun sequenzierte Genom des „Originalhamsters“ ist die perfekte Referenz, um das Erbgut der Produktionszellen zu untersuchen und anzupassen. Damit möglichst viele ForscherInnen Zugang zu den Daten haben, hat die Wissenschafterin mit 2 Kollegen die Plattform www.chogenome.org gegründet und stellt dort Arbeitsmaterial zu den Hamsterzellen zur Verfügung. Nicole Borths Vision: „Wir können Wirkstoffe effizienter und kostengünstiger herstellen – zu Preisen, die sich jedes durchschnittliche Gesundheitssystem, idealerweise auch in Dritte-Welt-Ländern, leisten kann.“ Die Forschungsergebnisse wurden im August 2013 im Top-Journal „Nature Biotechnology“ publiziert: http://www.nature.com/nbt/journal/v31/n8/full/nbt.2645.html So funktioniert die Produktion mit Hamsterzellen: In das Erbgut von CHO-Zellen wird jenes Gen eingebaut, das der Zelle sagt, dass sie ein neues Protein herstellen soll; nämlich den Wirkstoff. Mit ausgefeilten Methoden suchen die ForscherInnen unter tausenden Zellen dann jene aus, die das am besten kann. Diese Zelle wird vermehrt und für die Produktion eingesetzt, die in einer flüssigen Nährlösung in speziellen Bioreaktoren passiert. Auf die Herstellung folgen Reinigungsverfahren, bis nur noch der reine Wirkstoff übrig ist. „Aus einem Liter Zuchtlösung erhält man etwa 2 bis 5 g Produkt. Die durchschnittliche Wirkstoffdosis für einen Menschen liegt in der Größenordnung von 1g, was zu jährlichen Kosten von 10-40.000 Euro führt“, weiß Forscherin Nicole Borth. Über acib Das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) entwickelt neue, umweltfreundlichere und ökonomischere Prozesse für die Industrie (Biotech, Chemie, Pharma) und nimmt dafür die Konzepte und Werkzeuge der Natur zum Vorbild. Wir sind das österreichische Kompetenzzentrum für industrielle Biotechnologie mit Standorten in Wien, Graz, Tulln, Innsbruck, Bielefeld und Hamburg (D) sowie Pavia (I) und verstehen uns als Partnerschaft von 80+ Universitäten und Unternehmen, darunter bekannte Namen wie BASF, DSM, Sandoz, Boehringer Ingelheim RCV, Jungbunzlauer, F. Hoffmann-LaRoche, Novartis, VTU Technology oder Sigma Aldrich. Eigentümer sind die TU Graz, die Universität für Bodenkultur Wien, die Universitäten Innsbruck und Graz sowie Joanneum Research. Beim acib forschen und arbeiten rund 190 Beschäftigte an mehr als 40 Forschungsprojekten. Öffentliche Fördermittel (58% des Budgets) bekommt das acib von der Forschungsförderungsgesellschaft der Republik Österreich (FFG), der Standortagentur Tirol, der Steirischen Wirtschaftsförderung (SFG) und der Technologieagentur der Stadt Wien (ZIT). Das K2-Kompetenzzentrum acib – Austrian Centre of Industrial Biotechnology – wird im Rahmen von COMET – Competence Centers for Excellent Technologies durch das BMVIT, BMWFJ sowie die Länder Steiermark, Wien und Tirol gefördert. Das Programm COMET wird durch die FFG abgewickelt. Rückfragen Prof. Nicole Borth, University of Natural Ressources and Life Sciences Vienna, Muthgasse 18, 1190 Wien, M: Nicole.Borth(at)acib.at, T: +43 1 47654 6232, F: +43 1 47654 6675 Thomas Stanzer, Public Relations, acib GmbH, Petersgasse 14, 8010 Graz; M: thomas.stanzer(at)acib.at, T: +43 316 873 9312 +43 650 831 9310, F: +43 316 873 9302


02.10.2013