Forschende am Department für Biotechnologie der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) und des acib haben einen Genschalter in Hefe entdeckt, der vor Jahrmillionen zwölf Gene gleichzeitig verändert und dadurch den Hefe-Stoffwechselprozess angekurbelt hat. Die in Nature Communications veröffentlichten Forschungsergebnisse bergen großes Potenzial in der Lebensmittelproduktion, der Erzeugung von Biotreibstoffen oder zur Entwicklung von Grundstoffen für Bioplastik.  Ob beim Bierbrauen, der Weinherstellung oder während des Brotbackens – seit Jahrhunderten nutzt der Mensch die erstaunlichen Fähigkeiten der Hefe, nämlich Zucker in Alkohol und Kohlendioxid in Form der Gärung umzuwandeln. „Obwohl Hefearten wie Saccharomyces cerevisiae, auch als Bäckerhefe bekannt, als Modellorganismus für Laborexperimente und beliebte Expressionsplattform zur Herstellung von Proteinen mittlerweile gut untersucht sind, ist bisher nur wenig über die Lebens- und Entstehungsbedingungen der Hefe bekannt“, erklärt Diethard Mattanovich, Leiter des Departments für Biotechnologie an der Universität für Bodenkultur Wien. Eine zufällige Entdeckung sollte dies nun ändern: Während eines Forschungsaufenthaltes an der BOKU im Rahmen eines OeAD Stipendiums fand die Dissertantin Özge Ata einen einzelnen Genschalter, der in evolutionär „alten“ Hefen alle Prozesse der Gärung ankurbelt und sie so zu einer modernen, gärenden Hefe macht“, freut sich Mattanovich. Die Forschungsergebnisse wurden jüngst im renommierten Fachjournal Nature Communications gemeinsam mit dem Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) publiziert. Zwölf Gene auf einen Streich
Diese Genmutation, so die Erkenntnisse der BOKU-Forscher, hängt mit der Entwicklung zuckerreicher Früchte zur Zeit des Jura vor etwa 150 Millionen Jahren zusammen. Die etwa parallel zu den ersten früchtetragenden Pflanzen entstandenen, einzelligen Hefe-Pilze nutzen als Ausgangsstoff für ihre Energiegewinnung Mono- oder Disaccharide und setzen diese rascher um als andere Mikroorganismen, wodurch die Hefe schneller wachsen konnte. Ob zufällig oder um sich besser auf die sich verändernden Umweltbedingungen anzupassen, „fand bei den Hefe eine erstaunliche und komplexe Stoffwechseländerunge statt, indem gleichzeitig zwölf Gene verändert wurden“, so Mattanovich, der hinzufügt: Den dafür verantwortlichen Genschalter, ein Protein, muss man sich dabei wie die Regelungstechnik einer Heizung vorstellen, welche Gene schwächer – oder wie im Falle der Hefe – stärker macht.“   Evolution im Labor
Wofür die Evolution mehrere Millionen Jahre benötigte, können die ForscherInnen nun in wesentlich kürzerer Zeit simulieren:  Indem  wir den Schlüssel für die Evolution der Hefegärung in der Hand haben,  wollen wir mithilfe der Laborevolution den gesamten Prozess nachbilden und herausfinden, wie unterschiedliche Eigenschaften im Lebenszyklus der Hefe funktionieren, warum sie entstehen und ob sie auch auf andere Hefearten übertragen werden können“, so Özge Ata über ihre wissenschaftliche Zukunft.  Neue Hefe-Werkzeuge und Produkte
Die Forschungsergebnisse könnten einerseits dazu beitragen, die Leistungen von Hefen weiter zu verbessern und andererseits bessere Hefe-Werkzeuge für die Industrie zu entwickeln: „Ziel ist, die Eigenschaften anderer Hefeplattformen, wie etwa Pichia pastoris oder die Milchhefe Kluyveromyces lactis stabiler zu machen, um Produkte erzeugen zu können, für die die Bäckerhefe weniger gut eignet ist“, so Mattanovich, der Chemikalien wie Zitronen-, Fett- oder Milchsäuren anspricht. Weiters könnten die Projektergebnisse zukünftig der (Weiter)Entwicklung von Bioraffinerien zur Herstellung von Treibstoffen wie Bioethanol, oder der Produktion von Bioplastik aus erneuerbaren Rohstoffen dienen. Referenz Paper – TO BE ADDED  (2018) ”A single Gal4-like transcription factor activates the Crabtree effect in Komagataella phaffii”, Nat comm, doi: 10.1038/s41467-018-07430-4 Kontakt / Rückfragen:
Universität für Bodenkultur Wien
Institut für Biotechnologie
Univ.Prof. DI Dr. Diethard  Mattanovich
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